Ein Redaktionssystem ist ein wichtiges Verkaufsargument, wenn es darum geht, einen Kunden für ein Webprojekt zu gewinnen. Selbst bei sehr einfachen Projekten fragen die Kunden inzwischen nach einem CMS.

Da ist zum Beispiel Frau M. Sie wird sich um die neue Webseite einer Arztpraxis kümmern. Die Seite soll ein neues Design bekommen und wenn möglich auch ein CMS. Da es nur sehr wenige Änderungen geben wird, frage ich nach, ob eine statische Seite nicht auch ausreichen würde. Kleine Korrekturen kann ich im HTML-Code schnell umsetzen, Anruf genügt. Wozu also ein Redaktionssystem?

Frau M. antwortet: „Ich möchte nicht bei Ihnen anrufen müssen, nur weil ich eine Telefonnummer ändern möchte. Das kann ich doch auch selber machen.“
Wer seine Webseite selbst pflegen kann, ist unabhängig und muss niemanden um Hilfe bitten. Das ist ein gutes Gefühl, das den Kunden einiges wert ist.

Was der Kunde erwartet…

Ein Browserfenster unterscheidet sich im Look & Feel nicht von jedem anderen Programmfenster. Deshalb erwartet Frau M., dass die Bedienung eines Redaktionssystems eine ähnlich einfache Sache ist. Schließlich war von einem „Texteditor wie in WORD“ die Rede.

… und was er bekommt

Die Überraschung kommt kurz bevor die neue Website online geht. Nach drei Stunden Schulung raucht Frau M. der Kopf. Sie hat gelernt, dass so ein mächtiges System viel Aufmerksamkeit und Zuwendung braucht. Und dass man eine Menge falsch machen kann.

Normal-Nutzer am Katzentisch

Redaktionssysteme müssen Rezepte für viele Lebenslagen bieten, deshalb sind sie sehr komplexe Gebilde. Der Kunde sieht davon – im besten Fall – nur die Spitze des Eisberges: Er klickt auf ein Element, bearbeitet es und speichert seine Änderungen, fertig.
Im ungünstigen Fall muss er sich tief in die Apparatur des Content-Management-Systems einarbeiten, und mühsam erlernen, wo er seine Inhalte im Labyrinth des Backends wiederfindet und die richtige Häkchen an den richtigen Stellen setzt.

Schulungswissen hält nicht lange vor

Die Macher von klassischen Redaktionssystemen wie TYPO3 oder Drupal konzentrieren sich ganz auf die technische Leistungsfähigkeit. Ihre Zielgruppe sind Entwickler, Agenturleute und versierte Power-User. WordPress ist seinen Usern ein gutes Stück näher, aber auch mit dem WordPress-Dashboard tun sich unerfahrene Nutzer schwer.

Die Bedürfnisse der unerfahrenen, wenig technikaffinen Anwender stehen immer ein bisschen im Schatten der Aufmerksamkeit. Aber gerade die Nicht-Power-User wie Frau M. sind es, die in den meisten Fällen mit dem System zurechtkommen müssen.

Man kann natürlich versuchen, das Backend anzupassen und die Backend-Systematik in Schulungen zu vermitteln. Aber die Praxis zeigt, dass dieses Schulungswissen eine extrem kurze Halbwertszeit hat.
Redaktionssysteme geben oft Abläufe vor, die sich nicht an dem orientieren, was der Anwender eigentlich tun will. Der muss dementsprechend viele Umwege gehen um zu seinem Ziel zu kommen. Solche Abläufe sind weder intuitiv erfassbar noch gut zu merken.

In Teil 2 beschäftige ich mich mit der Frage, welche Eigenschaften wichtig für die Nutzerfreundlichkeit einer Web-Applikation sind.