Letzte Woche hatte ich Urlaub. Der Zufall wollte es, dass ich kurz davor einen Stapel Taschenbücher geschenkt bekommen hatte. Allesamt Krimis und Thriller mit einem Spiegel-Bestseller-Aufkleber drauf. Ein paar davon packte ich in meinen Koffer.
Zwischen den üblichen 0815-Thrillern entdeckte ich dann ein kleines Juwel: „Totengleich“ von Tana French.
Die meisten Kriminalromane, die man derzeit in den Buchläden findet, sind nach immer demselben Muster gestrickt: Eine möglichst blutrünstige Gewalttat, ein irgendwie eigentümlicher Ermittler und ein eiskalter, fieser Killer.
Tana French’s Geschichten sind anders. Der Plot entspinnt sich ganz allmählich aus den Beziehungen der handelnden Personen heraus. Die Charaktere sind präzise gezeichnet, ihre Beziehungen untereinander sind komplex und fein verwoben. Gleichzeitig ist die Rahmenhandlung, die die Personen zusammenführt, kraftvoll, spannend und vielschichtig. Man wird förmlich ins Buch hineingezogen.
Alle vier Romane beziehen sich aufeinander, man muss aber nicht unbedingt die Geschichte davor gelesen haben, um die Handlung zu verstehen.
Dieser Roman, der erste in der lockeren Reihe, steht noch auf meiner Leseliste. Es geht um die Ermordung eines kleinen Mädchens, die Ermittler sind die Polizistin Cassie Maddox und ihr Partner und Freund Rob Ryan. Auf irgendeine Weise ist der aktuelle Fall mit der Vergangenheit eines der Ermittler verbunden.
Grabesgrün von Tana French
Die Geschichte beginnt mit einem höchst ungewöhnlichen Zufall: Das Opfer am Tatort, zu dem die Polizistin Cassie Maddox gerufen wird, gleicht ihr bis aufs Haar. Beinahe hätte ich nicht weitergelesen – wie unwahrscheinlich ist das denn? Aber die Ähnlichkeit zwischen Opfer und Ermittlerin ist der einzige grobmotorische Dreh, den Tana French in ihrer Geschichte einsetzt. Der Rest ist fein ziseliert und präzise durchdacht. Spannend bis zur letzten Seite.
Totengleich von Tana French
Im Zentrum steht diesmal Frank Mackey, Undercover-Ermittler bei der Dubliner Kriminalpolizei. Der Mordfall, in dem er ermittelt, spielt aber weder im Drogenmilieu noch hat die Mafia die Hand im Spiel. Ort der Handlung ist die graue Dubliner Vorstadt. Dort, wo die Menschen von Sozialhilfe leben und fast jeder Familenvater Alkoholprobleme hat. Dort, wo Frank Mackey aufgewachsen ist und wo seine Familie immer noch wohnt.
Sterbenskalt von Tana French
Die Hauptfigur in diesem Roman ist Michael Kennedy, Detective im Dubliner Morddezernat. Kein sympathischer Held, im Gegenteil, ein arroganter, unfreundlicher Zeitgenosse. Er hat zwar keine Freunde, aber er ist ein guter Polizist und versteht sein Handwerk.
Der Fall einer jungen Familie, die in ihrem Häuschen ermordet wurde, wird zum seinem persönlichen Prüfstein.
Schattenstil von Tana French
In den Geschichten von Tana French ist kein Platz für Actionszenen. Der große Showdown, in dem die Ermittler unter großem Gerenne in letzter Sekunde das nächste Opfer vor dem Killer retten, kommt ebenso wenig vor wie der psychopathische Serienkiller, der die Polizei mit Rätselspielchen unterhält.
Die Protagonisten in Tana French’s Romanen sind ganz normal Menschen. Umso mehr gehen ihre Geschichten unter die Haut.
Deutsch oder Englisch?
Ich habe einen Roman in der deutschen Übersetzung gelesen, die anderen habe ich mir in der englischen Kindle-Edition gekauft. Ich habe mich mit der Originalsprache leichter getan als mit der Übersetzung.
Tana French’s Erzählweise ist sehr dialoglastig und sie verwendet eine eher informelle Alltagssprache mit vielen Slanglementen und umgangssprachlichen Redewendungen.
Wenn man so einen Text übersetzen will, muss man sehr frei arbeiten und sich oft weit vom Text entfernen. Gleichzeitig muss das Ganze aus einem Guss sein, damit es authentisch wirkt und nicht holprig klingt. Den Übersetzern ist dieser Balanceakt in meinen Augen nicht immer ganz gelungen.