Gestern bekam ich einen Anruf von einer netten Dame. Sie arbeitet für eine Bank, bei der ich kürzlich ein Konto eröffnet habe. Sie fragte nach, wie mir der Prozess der Kontoeröffnung gefallen hat, ob mir noch etwas fehlt und ob ich Fragen habe.
Im Großen und Ganzen bin ich ein zufriedener Kunde meiner neuen Bank. Allerdings hatte mich die Flut der Unterlagen ein wenig überfordert.

So konnte ich die Frage, ob denn alle Zugangsdaten inzwischen angekommen wären und ob mein Konto schon einsatzfähig sei, nicht beantworten. Das war mir dann doch ein bisschen peinlich.

Dabei ist das Material, das die Bank mir geschickt hat, überhaupt nicht schlecht gemacht. Im Gegenteil. Das Design ist hochprofessionell und geschmackvoll, das Layout übersichtlich und klar.

Warum also konnte ich die Frage der Dame nach dem Stand der Dinge nicht beantworten?

Ungewohnt strengt an

Mit Banken und Konten habe ich selten zu tun. Ich mag das Thema Finanzen nicht sonderlich und befasse mich nur damit, wenn es unbedingt nötig ist.
Rund um das bewusste Konto hatte ich bereits viel Zeit mit Recherchen verbracht (welche Bank, welches Konto) und mich anschließend tapfer durch alle möglichen Formulare (Anträge, Zinsfreistellungsauftrag, TAN-Anmeldung) gearbeitet. Als dann ein dicker Umschlag in meinem Briefkasten landete – mit einem Anschreiben, verschiedenen Merkzetteln und drei A4-Prospekten – legte ich den Stapel erst einmal zur Seite.

Zu schön kann verwirrend sein

Nach dem Gespräch mit der Dame habe ich mir das Material noch einmal angeschaut. Erst jetzt wurde mir klar, dass eine der drei A4-Broschüren eigentlich eine Art Mappe ist. Ganz vorn sind Erklärungen zur Kontoeröffnung, ganz hinten gibt es eine Tasche für meine Papiere. Dazwischen kommen allerdings ein paar ziemlich werblich gehaltene Prospektseiten.
Die beiden anderen Hefte – eine Werbebroschüre und ein umfängliches Heft mit dem Kleingedruckten – haben mit meinem Konto nur am Rande zu tun.

Alle drei A4-Broschüren sind im edlen Corporate Design der Bank gestaltet, einheitlich in Farbe, Bildsprache und Layout. Das hatte zur Folge, dass ich sie inhaltlich nicht differenzieren konnte; ich konnte das Wichtige vom Unwichtigen nicht unterscheiden.

Die Bank hatte eigentlich alles richtig gemacht. Die Unterlagen kamen zügig, die Gestaltung ist hochwertig, die Texte sind klar und verständlich. Trotzdem hatte ich genau den Teil, der wichtig für mich ist – die Mappe – übersehen.
Ich hatte zwar hineingeschaut, aber nur den Prospektteil wahrgenommen. Die Werbetexte und die Fotos von glücklichen Menschen.

Die Bank hat sicherlich viel Geld in diese Unterlagen investiert. Und doch ist es ihr nicht gelungen, mir den Prozess zu kommunizieren, den ich als ihre Kundin durchlaufen soll.
An drei zwei Stellen lief etwas schief:

  • Ich bekam zu viel Material
  • Das Material war so gestaltet, dass ich es nicht differenzieren konnte
  • Werbung und Information waren nicht klar getrennt

Die Bank kennt ihren Prozess sicherlich sehr gut. Ich musste ihn erst lernen.

Fazit

So wie mir geht es wahrscheinlich auch meinen Kunden.
Sie brauchen eine Website und machen sich auf die Suche. Sie führen Gespräche und recherchieren. Schließlich finden sie jemanden, dem sie vertrauen und bei dem sie die Website in Auftrag geben.
Bis zu diesem Zeitpunkt hat sie das Projekt schon einiges an Energie gekostet. Andererseits geht jetzt erst richtig los: Wir legen ihnen Angebot, Auftragsbeschreibung und Strukturpläne vor. All diese Dinge sind ungewohnt und fremd, aber als Kunde muss man reagieren und etwas dazu sagen. Die richtigen Fragen stellen und schließlich Projektphasen verbindlich freigeben.
Ich fürchte, meine Kunden empfinden den Webdesign-Prozess als ziemlich anstrengend.

Sich in den die eigenen Kunden hinein zu versetzen ist vielleicht die schwerste Übung überhaupt, wenn man von Berufs wegen kommuniziert. Zu erfassen, wo der Kunde steht, welches Vorwissen er mitbringt, welche Bedürfnisse er hat und was ihn antreibt, das ist richtig harte Arbeit.

Die Prozesse „aus der Sicht der Kunden zu denken“ ist sehr viel leichter gesagt als getan. Ein Weg dorthin könnte sein, die Abläufe immer weiter zu vereinfachen und zu konkretisieren. Damit möglichst wenig Energie in Unsicherheit und Ratlosigkeit fließen muss.
Wenn allen Beteiligten klar ist, was jetzt, hier und heute gerade zu tun ist, dann ist schon viel gewonnen.